Neuerwerbung des Monats November
Bei diesem Blatt handelt es sich um die Urkunde zur Verleihung des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs. Das Ehrenkreuz selbst ist nicht dabei. Der Orden wurde 1935 an den Ruiter Kasseninspektor Heinrich Funk verliehen. Er ist für die Ruiter Ortsgeschichte nicht ganz unbedeutend, denn er wurde am 2. Mai 1945 von der französischen Militärregierung zum vorläufigen Bürgermeister der Gemeinde Ruit bestellt. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters - er war bei Kriegsende bereits 64 Jahre alt - bat er nach wenigen Wochen, von seinem Amt entbunden zu werden. Er wäre kurz darauf vermutlich ohnehin abgesetzt worden, denn er war keineswegs unbelastet, sondern Mitglied der SA-Reserve gewesen.
Die gerahmte Verleihungsurkunde wurde in einem Ruiter Gartenhäuschen gefunden und dem Stadtarchiv übergeben. Vielen Dank dafür!
Neuerwerbung des Monats Oktober 2023
Das Foto ist um 1957 entstanden und zeigt den Löschteich der Domäne Weil unterhalb der Parksiedlung. Zu dieser Zeit wurde die Landwirtschaft von Gutsverwalter Wilhelm Herrmann geleitet. Die Familie wohnte oben im Schweizerhaus, das ja heute noch steht. Die Kinder machten sich manchmal einen Spaß und nutzten den Löschteich der Domäne als Freibad. Ab 1958 übernahm dann der Schwiegersohn des Pächters Weger & Hausch die Leitung der Domäne Weil.
Das Foto kam zum Einscannen von der Tochter des Domänenverwalters ins Stadtarchiv.
Neuerwerbung des Monats September 2023
Es handelt sich um ein Aquarell in der Bildgröße 13x19,5 cm aus den Jahren um 1830. Das Bild zeigt das Scharnhauser Schlösschen mit Teich und Springbrunnen davor. Links vor dem Teich steht eine vierspännige Kutsche mit wartendem Personal. Drei Personen in Biedermeierkleidung gehen einen stark überhöhten Hügel zum Schlössle hinauf. Links im Hintergrund sieht man den 1822 von Giovanni Salucci erbauten Stutenstall.
Auf dem zeitgenössischen Passepartout ist "Scharnhausen 10. Juli" eingedruckt, leider ohne Jahreszahl. Um welches Ereignis es sich handelte, ist bislang nicht bekannt. Es ist auf dem Passepartout von späterer Hand mit Bleistift "Scharnhausen v. Graf v. Taubenhain" notiert. Es muss sich um Wilhelm von Taubenheim (1805-1894) handeln. Dass diese Aquarell ursprünglich aus seinem Besitz stammt, ist durchaus plausibel: Taubenheim, Sohn eines königlichen Stallmeisters, kam 1826 in seine Heimatstadt Stuttgart zurück, um selbst Stallmeister und Kammerherr des Königs zu werden. 1841 avancierte er zum Ersten Stallmeister, 1845 zum Oberststallmeister. Er soll auch Direktor des Königlichen Privatgestüts gewesen sein.
Graf von Taubenheim war langjähriger Begleiter und Vertrauter von König Wilhelm I. Er war es, der den König zwei Tag vor seinem Tod im Jahr 1864 noch einmal in sein geliebtes Gestüt Weil kutschiert hat.
Das Aquarell wurde bei Ebay versteigert. Das Stadtarchiv hat das höchste Gebot abgegeben, um es für die Archivsammlung zu sichern. Trotz der leichten Beschädigung links oben ist das Bild sein Geld wert, denn es handelt sich - anders als ein Druck - schließlich um ein Unikat, das es nur einmal gibt.
Neuerwerbung des Monats August 2023
Im August konnte ein interessantes Dokument über die Nachkriegszeit im heutigen Scharnhauser Park erworben werden. Es handelt sich um ein Schriftstück der International Refugee Organization (IRO) aus dem Jahr 1949. Das Hauptquartier der IRO befand sich seit etwa 1947 auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts. Diese Organisation sollte den so genannten "Displaced Persons" helfen - vornehmlich ehemalige Zwangsarbeiter aus den östlichen Staaten, die nicht in ihre Ursprungsstaaten zurück wollten oder konnten. 1950 hieß es im Nellinger Gemeinderat, die IRO werde den Fliegerhorst verlassen, um eine Neubelegung durch US-Truppen zu ermöglichen. 1951 entstand dann die US-Kaserne "Nellingen Barracks".
Das Dokument im Karteikartenformat ist die Bestätigung einer Anspruchsberechtigung - für was auch immer. Übersetzt heißt es dort: "Die hiermit angegebene Person fällt in die Kategorie der Personen, mit denen sich der Vorbereitungsausschuss für die internationale Flüchtlingsorganisation befasst." Es ist auf einen 1928 geborenen polnischen Juden ausgestellt, der in Erlangen wohnte - in der Kriegszeit also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf den Fildern lebte. Er wurde vom Stadtarchiv in diesem Scan unkenntlich gemacht, da er hochbetagt immer noch leben könnte bzw. möglicherweise noch nicht zehn Jahre tot ist.
Das Dokument konnte über Ebay erworben werden. Wie meistens bei Ebay ist nicht bekannt, wie der Anbieter zu diesem Dokument kam. Es könnte sich in einem Nachlass befunden haben oder in einem aufgelösten Haushalt. Das Schriftstück ist ein weiteres Mosaiksteinchen zur Geschichte des Scharnhauser Parks.
Neuerwerbung des Monats Juli 2023
Das Foto zeigt einen inszenierten Boxkampf beim Ruiter Erntedankfest 1937. Schauplatz des Geschehens soll in der Nähe der heutigen Otto-Vatter-Straße gewesen sein. Zwei Jugendliche spielten vor einer großen Zuschauermenge den legendären Boxkampf zwischen Max Schmeling und dem "braunen Bomber" Joe Louis nach. Dafür wurde ein Ruiter schwarz angemalt. Der reale Boxkampf hatte am 19. Juni 1936 stattgefunden und mit einem K.-o.-Sieg des Deutschen geendet. Die Nationalsozialisten propagierten diesen Kampf als Beweis der Überlegenheit der arischen Rasse.
Am 22. Juni 1938 fand ein zweiter Boxkampf zwischen Schmeling und Louis statt, wiederum vor 70.000 Menschen im ausverkauften Yankee-Stadion in New York. Diesmal gewann Joe Louis durch Knock out in der ersten Runde. Dieser Boxkampf wurde dann allerdings in Ruit nicht nachgespielt...
Das geradezu sensationelle Foto wurde zum Einscannen von zwei Ruiter Brüdern zur Verfügung gestellt, die über das 850-Jahr-Jubiläum Kontakt zum Stadtarchiv gefunden haben. Etliche weitere historische Fotos aus den Familienalben konnten inzwischen eingescannt werden. Herzlichen Dank dafür!
Neuerwerbung des Monats Juni 2023
Die Neuerwerbung des Monats ist diesmal ein textiler "Festbendel" aus Kemnat, gerade mal zehn Zentimeter breit und zwei Zentimeter hoch. Er wurde wohl an der Kleidung befestigt und war vermutlich so etwas wie eine Eintrittkarte. Der festliche Anlass war die zweite Fahnenweihe des Liederkranzes im Jahr 1900. Die "in Ehren verblasste alte Fahne", wie es in der Vereinschronik heißt, wurde durch eine neue Fahne ersetzt. Das in Kemnat erwünschte ganz große Fest wurde es aber nicht, denn das Gausängerfest, auf das man spekuliert hatte, war in jenem Jahr Plieningen zugeteilt worden. Beide Fahnen befinden sich übrigens als Depositum der Sängervereinigung Liederkranz Kemnat 1842 e.V. im Stadtarchiv.
Der Festbendel wurde bei Ebay angeboten und konnte erworben werden.
Neuerwerbung des Monats Mai 2023
Das Luftbild zeigt einen Teil der Hindenburgstraße in Nellingen. Es wurde im Sommer 1969 aufgenommen. Man blickt in Richtung Südosten. Vorne rechts quert die Bismarckstraße. Links sieht man das Café Haag in der Hindenburgstr. 5 (heute Bäckerei Unrath und BW-Bank). Das angeschnittene Gebäude vorne rechts wurde wenig später abgerissen. Hier steht heute die Volksbank.
Ein Luftbild-Betrieb hat dem Stadtarchiv alle 35 Aufnahmen dieses Flugs über Nellingen zu einem Pauschalpreis angeboten. Das Geschäftsmodell war wohl, ohne Auftrag über einen Ort zu fliegen und alles zu fotografieren, was irgendwie nach einem Gewerbebetrieb oder einer öffentlichen Einrichtung aussah. Die Aufnahmen wurden später den Betrieben zum Kauf angeboten. Manch einer wird "sein" Foto erworben und stolz aufgehängt haben.
Für das Stadtarchiv sind die Luftbilder interessante Momentaufnahmen, die durch die geringe Flughöhe viele Details der damaligen Bebauung zeigen. Luftbilder gibt es öfters, aber meist aus größerer Höhe oder als Senkrechtaufnahme.
Neuerwerbung des Monats April
Das Foto ist etwa 1956 entstanden und zeigt das Haus Kirchheimer Str. 29 in Ruit. Links geht es in die Hedelfinger Straße, man sieht noch die Bäckerei Mack in der Hedelfinger Str. 4. Es war das Haus des Schuhmachers Hermann Stiefel. Vermutlich wurde das Foto von einer Bausparkasse in Auftrag gegeben, denn wir kennen aus diesen Jahren etliche qualitativ hochwertige Aufnahmen im Format 13x18, die zu Dokumentationszwecken im Vorfeld einer Gebäudemodernisierung gemacht wurden. Und tatsächlich gibt es zwei Jahre später von diesem Haus auch ein Foto, auf dem man eine neue Schaufensterfassade sieht.
Die Aufnahme kam mit vielen anderen Dokumenten aus der Familie Stiefel ins Stadtarchiv. Vier Generationen haben seit 1882 über hundert Jahre lang das Schuhmacherhandwerk in Ruit ausgeübt, immer im Bereich dieser Kreuzung: zuerst in der Kirchheimer Straße 28, dann in der Hedelfinger Str. 6, dann im abgebildeten Haus und zuletzt seit 1977 im Geschäftshaus Kirchheimer Str. 25 (bis vor kurzem BW-Bank). Das Foto ist auch deshalb so wertvoll, weil durch den Neubau des "Haus Liselotte" der Gradmann-Stiftung kein einziges dieser Gebäude mehr steht.
Neuerwerbung des Monats März 2023
Das wäre sie gewesen, die Neuerwerbung des Monats März. Sie wurde es aber leider nicht. Es geht um eine kleinformatige Radierung des Murrhardter Künstlers Reinhold Nägele (1884-1972). Sie ist bezeichnet mit "Bei Nellingen 1913" und zeigt den Blick auf Nellingen durch das Körschtal. Im Vordergrund sieht man die Serpentinen der alten Straße nach Neuhausen. Hier sind Spaziergänger genauso unterwegs wie ein Radfahrer und sogar ein Automobil. Links ist die Hahn-Mühle abgebildet. Am oberen Bildrand erkennt man die letzten Häuser der Neuhauser Straße und das Dorf mit dem Turm der St.-Blasius-Kirche.
Die Radierung des bekannten Künstlers wurde in einem Stuttgarter Auktionshaus versteigert. Das Stadtarchiv hat ein Internet-Gebot im Rahmen seines Budgets abgegeben, wurde aber leider überboten. So bleibt ein Screenshot zur Erinnerung daran, dass es dieses Kunstwerk gibt und dass das Original jetzt vermutlich eine private Wohnzimmerwand schmückt.
Neuerwerbung des Monats Februar 2023
Auch die Neuerwerbung des Monats Februar 2023 kommt aus Scharnhausen. Es zeigt die Sänger des Gesangvereins Sängerlust im Jahr 1952 bei einem Konzert zu Ehren ihres langjährigen Dirigenten Rudolf Gehrung. Er feierte damals seinen 50. Geburtstag. Rudolf Gehrung hatte die Sängerlust bereits seit 1925 musikalisch geleitet und sollte das noch bis ins Jahr 1970 fortführen. Der gebürtige Kemnater leitete zumindest zeitweise fast alle Chöre auf den Fildern, darunter auch den Gesangverein „Hoffnung“ in Kemnat und den Sängerbund in Ruit. Einige dieser Chöre bildeten sogar einen Großchor, die „Gehrung´sche Chorgemeinschaft“. Gotthilf Fischer, der damals in Deizisau daheim war, hat vielleicht seine Idee der Fischerchöre von Gehrung abgeschaut – oder war es andersherum?
Das Foto ist Teil des Vereinsarchivs der Sängerlust Scharnhausen. Es kam unlängst als sogenanntes Depositum in das Stadtarchiv Ostfildern. Das heißt, die Unterlagen sind weiterhin Eigentum des Vereins, werden aber im Stadtarchiv aufbewahrt. Der Scharnhäuser Traditionsverein, der 2022 sein 150-jähriges Jubiläum feierte, lagert nun einen laufenden Meter geballter Vereinsgeschichte im Stadtarchiv.
Neuerwerbung des Monats Januar 2023
Das Foto zeigt Jakob Kögler (1869-1959) aus der Ruiter Str. 22 in Scharnhausen. Vermutlich wurde es wenige Jahre vor seinem Tod aufgenommen. Er war damals schon weit über 80 Jahre alt und konnte auf ein langes Leben zurückblicken. Jakob Kögler hatte eine private Landwirtschaft, arbeitete aber auch 40 Jahre lang als Gestütswart im ehemals Königlichen Privatgestüt Scharnhausen. Er hatte eine Dienstuniform und genoss quasi einen Beamtenstatus. Auch im Ruhestand wurde er deshalb gut versorgt. An seinem Lebensende bekam er jeden Monat 130 Mark Ruhegeld im Auftrag der "Privaterben S.K.H. Herzog Wilhelm von Württemberg" überwiesen. Das war damals eine gute Pension.
Das Foto wurde von der Urenkelin zum Einscannen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Neuerwerbung des Monats Dezember 2022
Das Foto zeigt die nördliche Hedelfinger Straße im Jahr 1950, also noch einige Jahre vor dem Ausbau. Man blickt ortseinwärts. Links sind die drei Doppelhäuser Hedelfinger Str. 68-78 zu sehen, die heute noch stehen. Rechts angeschnitten ist die Hedelfinger Str. 66.
Die Doppelhäuser gehörten zur so genannten "Ukraine". Diesen nicht offiziellen Namen bekamen die Häuser, weil sie in der Regel von Arbeitern bewohnt wurden, die in Ruit traditionell links eingestellt waren. Die Doppelhäuser wurden 1921 mit dem Ruiter Bau- und Sparverein erbaut, so dass sie zwar einfach und klein waren, aber noch erschwinglich für Bauherren, die nicht viel Geld hatten. Im Buch "Orts-Chronik Ruit 1924-1934" des Stadtarchivs (Schriftenreihe Bd. 11), sind die Häuser sowie der Bau- und Sparverein ausführlich beschrieben.
Dieses Bild ist das Ergebnis einer langen Suche. Bis dato war im Stadtarchiv kein einziges älteres Foto von diesen Häusern bekannt. Das Stadtarchiv hat schließlich alle Hauseigentümer angeschrieben in der Hoffnung, dass jemand ein solches Foto im Album findet. Und tatsächlich: Eine Bewohnerin hat sich gemeldet! Übrigens: Auch beim Unternehmen, das 1938 den Bau- und Sparvereins übernommen hatte, wurde recherchiert. Fotos hat man zwar keine gefunden, aber dafür konnte das Stadtarchiv die dort befindlichen Unterlagen des Bau- und Sparvereins als Schenkung übernehmen. Eine wertvolle Ergänzung der Ruiter Überlieferung!
Neuerwerbung des Monats November 2022
Das Foto von Ernst Illi wurde vermutlich 1916 aufgenommen, als er mit 17 Jahren als Soldat in den Ersten Weltkrieg ziehen musste. Es ist aus einer Gruppenaufnahme herausvergrößert. Man sieht ein Gesicht, das ängstlich in die Zukunft blickt.
Ernst Illi ist im Kirchgässle 3 in Ruit aufgewachsen. Nach dem Kriegseinsatz, bei dem er mit Giftgas in Berührung gekommen ist, bekam er psychische Probleme. 1922 wurde er in die Heilanstalt Winnental eingeliefert. Am 3. Juni 1940 wurde er von dort im Rahmen der nationalsozialistischen Aktion "T4" nach Grafeneck auf die Schwäbische Alb verlegt und vermutlich noch am selben Tag ermordet. Der Künstler Gunter Demnig hat deshalb zu seinem Gedenken am 15. November einen Stolperstein im Kirchgässle verlegt.
Das Stadtarchiv hat im Vorfeld der Stolpersteinverlegung in der Verwandtschaft des Opfers nach Fotos gesucht, um seine Biografie zu illustrieren. Dieses Foto ist bisher das einzige, das bekannt ist.