Aus der Geschichte der Gemeinde Kemnat

Die erste Erwähnung des Ortes findet sich in einer Urkunde Papst Gregors IX. aus dem Jahr 1229. Der Ortsname (1229 "Kemnaten", 1236 "Keminaton") bezeichnete die Nähe zu einem heizbaren Steinhaus oder Gemach ("Kemenate"). Denkbar ist die einstige Existenz einer Burg eines örtlichen Adelsgeschlechts. Von Gebäude und Bewohnern wissen wir heute allerdings nichts mehr.

Kemnat wurde im Großen Städtekrieg 1449 von den Esslingern und Ulmern im Schutt und Asche gelegt.

Vor allem die Klöster Bebenhausen und Denkendorf konnten im mittelalterlichen Kemnat erheblichen Güterbesitz vorweisen. Württemberg hatte aufgrund der Vogtei über die beiden Klöster 1451 alle obrigkeitlichen Rechte inne.

Seit dem Jahr 1451 gehörte Kemnat zuerst zum Amt Stuttgart, dann zum Amtsoberamt Stuttgart. 1936 wurde die Gemeinde dem Landkreis Esslingen zugeordnet. Mit dem freiwilligen Zusammenschluß der Gemeinden Kemnat, Nellingen, Ruit und Scharnhausen zur Stadt Ostfildern im Jahr 1975 endete die Selbständigkeit Kemnats.

Das kleine Bauern- und Handwerkerdorf, das im Jahr 1703 nicht mehr als 335 Einwohner zählte, entwickelte sich, wie viele benachbarte Orte auch, gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr zu einer Arbeiterwohngemeinde. Viele Bürger pendelten zu den Industrie- und Baubetrieben der nahen Stadt Stuttgart und des Neckartals.

Durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, durch eine intensive Gewerbeansiedlung sowie durch die Bereitstellung der begehrten Flächen für den Wohnungsbau wuchs die Gemeinde Kemnat in den Jahrzehnten nach dem Ende des 2. Weltkrieges stark an. Waren 1939 noch 1.412 Einwohner registriert, so hatte sich diese Zahl bis zum Jahr 1961 verdoppelt. Bürgermeister Eiding konnte 1966, nur fünf Jahre später, bereits den 4.000. Einwohner begrüßen. Am Ende seiner Selbständigkeit hatte Kemnat die 5.000-Personen-Marke erreicht.

Zur Geschichte des Gemeindearchivs Kemnat

Wie so oft bei Archiven und Registraturen dörflicher Prägung ist über deren ältere Geschichte nur wenig bekannt. Fest steht, daß auch in Kemnat im Verlauf der Jahrhunderte Verwaltungsschriftgut vor allem aus rechtlichen Gründen aufbewahrt wurde. Als Aufbewahrungsort kam nicht zuletzt der Dachboden des Rathauses in Frage. Es kann jedoch auch angenommen werden, daß Schriftgut, das nicht mehr der Rechtssicherheit oder Verwaltungskontinuität diente, immer wieder ausgeschieden und vernichtet wurde.

Nach der Jahrhundertwende wurden organisatorische Änderungen im Kemnater Registraturwesen notwendig. Der Gemeinderat beschloß im November 1903, zwei neue Kästen für die Unterbringung der neuen Grundbuchhefte des Bezirksnotars Majer zu beschaffen. Die Güterbücher, Unterpfandsbücher und Grundakten, so teilt das Gemeinderatsprotokoll mit, waren zuvor ein einem Kasten im Rathaussaal untergebracht gewesen.

Trotz der Neuanschaffung lag der Zustand der restlichen Gemeinderegistratur noch immer im argen. Anläßlich der Visitationen des Amtsoberamts Stuttgart wurde in den Jahren 1906 und 1909 die Neuordnung der Registratur angeregt. Ortsvorsteher und Verwaltungsaktuar Karl Friedrich Fauser erklärte sich im Dezember 1909 bereit, dies zu besorgen, wenn die hierfür erforderlichen Kästen vorhanden seien.

Im Jahr 1921 wurde die Gemeinderegistratur erneut umstrukturiert. Die vom Ortsvorsteher beantragte Registratur "nach dem Wendel'schen Entwurf" wurde vom Gemeinderat genehmigt. Schultheiß Wendel aus Schnait i. R. hatte ein Aktenverzeichnis entworfen, das als Lokaturen das Kasten-Fach-Faszikel-Prinzip verwendete. Das für Kemnat angelegte Aktenverzeichnis ist im Aktenbestand überliefert.

So effektiv das neue Registraturprinzip gewesen sein mag - für die Überlieferung des historischen Schriftguts sollte sich dessen Einführung als verhängnisvoll erweisen: Man nahm die Neustrukturierung nämlich zum Anlaß, "eine Anzahl entbehrlicher Akten" auszuscheiden. Im Juli 1923 ermächtigte der Gemeinderat den Ortsvorsteher "zur Veräußerung der alten Akten und Bücher" an den Altpapierhändler. Tatsächlich wurden historische Bestände ausgeschieden. Das Hauptbuch des Rechnungsjahres 1923 vermerkt am 27. August 1923 Einnahmen aus Altpapierverkauf in Höhe von 2.060.000,- Mark. Dies erscheint auf den ersten Blick als ein beträchtlicher Erlös, doch man befand sich im Jahr der Hochinflation mit einer Inflationsrate von 105,8 Millionen Prozent. Im September 1923 stand der US-Dollar bei 98 Millionen Mark, einen Monat später gar bei 40 Millarden Mark. Die Einnahmen aus dem Verkauf des historischen Schriftguts waren so gut wie nichts mehr wert. Man hatte wertvollste Archivbestände effektiv für Pfennigbeträge verscherbelt.

1951 nahm Dr. Friedrich Pietsch vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart eine Verzeichnung der Bände, Druckschriften und Karten des Gemeindearchivs Kemnat vor. Es entstand ein 21seitiges Findbuch sowie ein Gutachten und Bericht des Hauptstaatsarchives über das Gemeindearchiv Kemnat. Der Aktenbestand wurde bei dieser Kampagne nicht verzeichnet.

Die Altregistratur wurde schließlich im April 1974 vom Dachboden des Rathauses in das Untergeschoß des neuen Rathauses in der Friedrichstraße verlagert.

Nach dem Vollzug der Gemeindereform wurde aus den Archiven der ehemals selbständigen Gemeinden Kemnat, Nellingen, Ruit und Scharnhausen das Stadtarchiv Ostfildern konstituiert. Die selbständigen, unvermischten Bestände der Gemeinden lagerten nun im Untergeschoß des Hallenbades Ruit.

In den Jahren 1981-1985 ordnete und verzeichnete das Kreisarchiv Esslingen unter Dr. Christoph J. Drüppel die Rechnungsbestände und den größten Teil der Amtsbücherbestände des Stadtarchivs Ostfildern. Der Bestand der Kemnater Rechnungen und Amtsbücher umfaßt nach Ordnung und Verzeichnung ca. 36 lfd. Meter. Die Aktenbestände der vier Gemeinden konnten jedoch nur den Aktenplänen gemäß geordnet, nicht aber verzeichnet werden.

Dr. Drüppel stellte beim Archivbestand Kemnat starke Verluste nach der Gemeindereform fest. Eine vom Kreisarchiv Esslingen im Jahr 1983 erstellte Liste wies u. a. 84 fehlende Bände nach.

Mit der Einrichtung des Stadtarchivs in einem eigenen Gebäude im Nellinger Klosterhof im Jahr 1991 konnte das Archivgut sachgerecht und benutzerfreundlich untergebracht werden. Seit 1992 ist die Stelle eines Stadtarchivars besetzt.

Der Aktenbestand Kemnat

Die Verzeichnungsarbeiten am Kemnater Aktenbestand fanden in den Jahren 1992 bis 1994 durch Stadtarchivar Jochen Bender statt.

Die Überlieferung setzt mit dem Geburtsbrief eines Auswärtigen aus dem Jahr 1755 ein. Aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind jedoch nur vereinzelte Schriftstücke erhalten. Dichter wird die Überlieferung in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts. Bei vielen Akten beginnt die Laufzeit jedoch erst nach 1945.

Der Umfang des Aktenbestandes belief sich vor der Verzeichnung auf ca. 20 lfd. Meter, nach der Verzeichnung auf ca. 18 lfd. Meter. Die Reduzierung des Umfanges ist in erster Linie durch eine effektivere Ausnutzung der Archivschachteln begründet. Ausgeschieden wurden ausschließlich Mehrfachüberlieferungen. Das Archivgut wurde bei der Verzeichnung entmetallisiert und in säurefreie Umschläge gelegt.

Für die Ordnung der Faszikel ist in der Regel der Flattich-Aktenplan in der 5. Auflage von 1955 maßgebend. Die angegebene alte Registratursignatur (A. R.) kann sich - ohne daß dies vermerkt ist - je nach Laufzeit der Akte auch auf eine frühere Auflage des Flattich-Aktenplans beziehen. Es ist im Findbuch immer diejenige alte Registratursignatur angegeben, die auf der Akte angegeben war, auch wenn die Registratursignatur ersichtlich falsch vergeben wurde. Die Einordnung der Archivalien in die Systematik fand bei falsch vergebenen Registratursignaturen jedoch nach dem Aktentitel bzw. nach dem Akteninhalt statt.

Die Aktenregistratur Kemnat bestand vor der Verzeichnung aus zwei Schichten: Zum einen ist hier die Registratur nach dem Flattich-Prinzip mit seinen vierstelligen Archivsignaturen zu nennen. Zwischen den fünf Auflagen des Flattich-Aktenplanes mit ihren teilweise differierenden Registratursignaturen wurde hier nicht unterschieden. In der Flattich-Registratur waren auch diejenigen Archivalien gemäß dem vierstelligen Signaturprinzip abgelegt, die ursprünglich nach den Wendelschen Kasten-Fach-Faszikel-Lokaturen signiert worden waren. Zum anderen existierte eine Registraturschicht, die nach dem Boorberg-Aktenplan mit seinem Dezimalsystem strukturiert war. Diese Schicht betraf den Zeitraum von 1965 bis 1974, jedoch fanden sich hier auch ältere Akten abgelegt, die ursprünglich nach dem Flattich-Aktenplan signiert und später in die neue Registratur übernommen worden waren.

Aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit wurde das nach dem Boorberg-Aktenplan abgelegte Schriftgut in das Ordnungsschema des Flattich-Aktenplanes integriert. Bei identischen Aktentiteln wurden die Akten vor und nach 1965 zu einem Faszikel zusammengefaßt. Um den Entstehungszusammenhang zu dokumentieren, wurden immer sämtliche alte Registratursignaturen verzeichnet. Maßgeblich für die Zuordnung ist die im Jahr 1965 von Werner Frank zusammengestellte Aktenplan-Gegenüberstellung des Boorberg-Verlags. Akten ohne Registratursignatur und Akten der Boorberg-Schicht, deren Titel im Flattich-Aktenplan noch nicht berücksichtigt waren, wurden nach thematischen Kriterien eingeordnet.

Der langjährige Bürgermeister Otto Eiding (Amtszeiten 1935-1945 und 1948-1974) prägte nicht nur an maßgeblicher Stelle rund 40 Jahre des Gemeindelebens, er hatte auch entscheidenden Einfluß auf die Registraturbildung und auf die heutige Aktenüberlieferung des Gemeindearchivs Kemnat: Es finden sich immer wieder Faszikel mit seinem handschriftlichen Vermerk "Nie ausscheiden", "Archivakten" oder "ewig z. d. A.". Was in dieser Weise gekennzeichnet war, wurde aufbewahrt - diese Methode impliziert jedoch auch das Ausscheiden von Schriftgut, das aus der Sicht des Gemeindeoberhaupts nicht archivwürdig war. So sind auch bei den jüngeren Akten immer wieder deutliche Lücken in der Überlieferung festzustellen, die oft auch eingeschränkte Möglichkeiten der Ortsgeschichtsschreibung bedeuten.

Nicht selten konnte bei den Verzeichnungsarbeiten eine mangelhafte Handhabung der Registratursystematik durch die Gemeindeverwaltung festgestellt werden. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Akten zum Rathausumbau 1973-1974 fanden sich in einem Aktendeckel mit der Aufschrift "Bauernverbände", Schriftgut zur Verkehrssicherheit lag bei "Fremdenverkehrswerbung", und um die Akte "Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" zu finden, mußte man das Faszikel "Viehzählung" aufschlagen. Auch wurde oft nicht unterschieden zwischen Allgemeinem, Grundsätzlichem und einzelnen Fällen eines Aktentitels, wie dies der Aktenplan vorsieht.

Bei der Verzeichnung wurde deshalb besonderer Wert auf die Intus-Vermerke "Enth[ält]:" und "Darin:" gelegt. Aufgrund der von Findbuch zu Findbuch unterschiedlichen Handhabung der Begrifflichkeiten sei deren Verwendung in diesem Findbuch kurz erläutert: Beide Vermerke bezeichnen stets einen Teilinhalt der Archivalie. Der Gesamtinhalt der Archivalie wird also auch bei der Verwendung von Intus-Vermerken in aller Regel vom Aktentitel selbst beschrieben. "Enth.:" verweist auf einen Teilinhalt, den man hinter dem Aktentitel vermuten könnte, jedoch einer besonderen Erwähnung wert ist. "Darin:" bezeichnet einen Teilinhalt, der nicht als üblicher Bestandteil der Archivalie anzusehen ist und ausgehend vom Aktentitel deshalb nicht aufzufinden wäre.

Das vorliegende Findbuch ermöglicht dem Interessenten nun eine schnelle und umfassende Recherche.

Jochen Bender