Nellingen Akten (NA): Vorwort

Aus der Geschichte der Gemeinde Nellingen

Der Ortsname Nellingen wird erstmals im Jahr 1120 in einer Urkunde des Papstes Calixt II. erwähnt. Damals schenkte der Ortsadelige Anselm von Nellingen die örtliche Kirche und die Hälfte des zu ihr gehörigen Zehnten dem Benediktinerkloster St. Blasien. Die Mönche aus dem Südschwarzwald wurden mit den Jahren immer bedeutendere Grundherren in Nellingen und Umgebung. Zur Verwaltung der Güter in der Region errichtete das Kloster im 13. Jh. einen Filialklosterhof. Der spätromanische Kirchturm und die historischen Gebäude um die Propstei legen davon heute noch Zeugnis ab.

Das Herzogtum Württemberg besaß seit dem 13. Jh. die Vogteirechte. Im letzten Städtekrieg von 1449 wurde Nellingen mitsamt dem Klosterhof ein Raub der Flammen. Der Wiederaufbau erfolgte sehr zögerlich bis zum Ende des 16. Jh. Zu dieser Zeit war Nellingen und die ganze Umgebung bereits lutherisch reformiert. Der nach wie vor katholische Klosterhof verlor immer mehr an Bedeutung.

1649, nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs, ging der Grundbesitz der Propstei im Tauschweg an die Württemberger. Das Herzogtum nutzte den Klosterhof bis 1836 als Kameralamt zur Verwaltung seiner Güter.

Seit 1811 gehörte Nellingen zum Oberamt Esslingen. Das Dorf mit seiner relativ großen Gemeindemarkung von ca. 900 Hektar war bis ins 20. Jh. hinein landwirtschaftlich geprägt. Handel und Handwerk hatten lediglich örtliche Bedeutung. Gegen Ende des 19. Jh. entwickelte sich ein starkes Pendlertum zu den Fabriken im Neckartal. Nellingen wurde immer mehr zur Arbeiterwohngemeinde.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jh. lebten hier rund 1.500 Einwohner. Deren Zahl wuchs bis zum Jahr 1949 auf mehr als 4.000 an. Der Bau der Parksiedlung auf dem Gelände des ehemaligen Königlichen Privatgestüts Weil ab 1957 brachte einen zusätzlichen Einwohnerzuwachs um bis zu 4.000 Einwohner. 1965 wurde für die gesamte Gemeinde Nellingen die 10.000-Einwohner-Hürde übersprungen. 1999 wohnten im Stadtteil Nellingen mit der Parksiedlung rund 11.500, ohne die Parksiedlung ca. 8.600 Bürger.

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung auf den Fildern seit den 1960er Jahren erfasste auch Nellingen. Stattliche Gewerbeflächen lockten viel Betriebe an und sorgten für zahlreiche Arbeitsplätze. Ab den 1960er Jahren erhielt Nellingen unter anderem durch den Bau eines Zentrums mit weiterführenden Schulen immer mehr städtischen Charakter. Seit 1975 ist Nellingen der größte Stadtteil Ostfilderns.

 

Zur Geschichte des Gemeindearchivs Nellingen

Über die ältere Geschichte des Nellinger Gemeindearchivs wissen wir wenig. Als traditioneller Aufbewahrungsort des Registratur- und Archivguts kann der Dachboden des Rathauses vermutet werden. Doch bereits zu Beginn des 20. Jh. waren im Grundrissplan des Rathauses zwei "Acten-Zimmer" und ein Registratur-Raum im 1. Stock eingezeichnet.

Aufgrund der Überlieferung kann die Aussage getroffen werden, dass Verwaltungsschriftgut, das für kommunale Rechtssicherheit und Verwaltungskontinuität wichtig war, von jeher im Rathaus aufbewahrt wurde. Historische Aufbewahrungsgründe spielten wohl eine eher geringe Rolle. Deshalb wurden die Schriftstücke nach einer gewissen Zeit immer wieder ausgeschieden und vernichtet. Eine dauernde Aufbewahrung war in der Regel nicht vorgesehen.

Ein Eintrag im Gemeinderatsprotokoll aus dem Jahr 1923 zeigt die Praxis der Aktenausscheidung: Altpapier und Akten verkaufte man damals an die Formulardruckerei Salach. Als Gegenleistung wurden neue Formulare geliefert.

1935 trat die Deutsche Gemeindeordnung in Kraft. Gleichzeitig führte man auch in Nellingen den einheitlichen Flattich-Aktenplan ein. Vermutlich wurde aus diesem Anlass die Registratur ausgedünnt, da die Laufzeut auffallend vieler Akten erst im Jahr 1935 beginnt. 1937 verfügte der Landrat, dass Akten und Bücher erst nach Zustimmung durch den Esslinger Stadtarchivar Dr. Erwin Haffner ausgesondert werden durften. "Eine solche Ausscheidung" komme zur Zeit "nicht in Frage", beschied Bürgermeister Kirchner.

1943 wurden auf dem Nellinger Rathaus die Rechnungsbelege der Gemeindepflegrechnungen aus den Jahren 1889-1923 als Altpapier ausgeschieden. Anlass war ein Erlass des Landrats, der unbedeutende und geprüfte Rechnungsbelege zur Aussonderung anordnete. Auch die gesammelten Druckschriften und die Jahrgänge der Eßlinger Zeitung bis einschließlich 1941 wurden der Altpapiersammlung zugeführt.

Ein einschneidendes Datum für das Nellinger Gemeindearchiv war der Fliegerangriff vom 2. März 1944. Phosphor-Brandbomben zerstörten das Dachgeschoss des Rathauses. Im überlieferten Antrag auf Entschädigung für Schäden an beweglichen Sachen werden drei Bücher- und Aktenregale genannt, je vier Meter lang und 2,2 Meter hoch. Daraus läßt sich eine Kapazität von ca. 70 lfd. Meter für Archivgut und Bücher errechnen. Zudem wurden noch sieben Aktenschränke vernichtet. Das verbrannte Archivgut wurde allerdings nicht als Schaden angegeben. Laut Archivpfleger Wilhelm Böhringer wurden bei diesem Kriegsschaden die Güterbücher, die Kaufbücher sowie die Inventuren und Teilungen durch Brand zerstört. Zeitzeugen erinnern sich allerdings, dass viele Bände nur angekokelt waren. Dennoch wurden sie in den Steinbruch gefahren, wo sie vermoderten. Böhringer gab zudem an, ein "größerer Teil" der Rechnungsakten sei nach Kriegsende 1945 zum Altpapier getan worden. In Folge des Zweiten Weltkriegs beginnt die Überlieferung des Bestands Nellingen bei Rechnungen, Bänden und Akten erst im 19. Jh. Der größte Stadtteil Ostfilderns verfügt deshalb leider nur über den zeitlich eingeschränktesten Archivbestand.

Nach dem Neubau des Rathauses im Jahr 1954 war das Gemeindearchiv teils im Keller, teils im Sitzungssaal untergebracht. Wilhelm Böhringer stellte als ehrenamtlicher Archivpfleger des Landkreises Esslingen im Oktober 1954 ein Verzeichnis der Bände des Gemeindearchivs zusammen. Die Verzeichnungs- und Schreibarbeiten nahmen rund 13 Stunden in Anspruch, wofür Böhringer 25 Mark in Rechnung stellte.

Mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Karl Friedrich Binder im Jahr 1964 und mit der Umstellung der Flattich-Registratur auf den Aktenplan für die Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg (Boorberg-Aktenplan) ab dem Jahr 1965 erlitt der Nellinger Aktenbestand erneut erhebliche Verluste. Es wurde so großzügig ausgeschieden, dass viele Akten erst mit dem Jahr 1965 beginnen.

Nach dem Vollzug der Gemeindereform im Jahr 1975 wurde aus den Archiven der ehemals selbständigen Gemeinden Kemnat, Nellingen, Ruit und Scharnhausen das Stadtarchiv Ostfildern konstituiert. Die selbständigen, unvermischten Bestände der Gemeinden lagerten nun im Untergeschoss des Hallenbades Ruit.

In den Jahren 1981-1985 ordnete und verzeichnete das Kreisarchiv Esslingen unter Dr. Christoph J. Drüppel die Rechnungsbestände und den größten Teil der Amtsbücherbestände des Stadtarchivs Ostfildern. Der Bestand der Nellinger Rechnungen und Amtsbücher umfasst nach Ordnung und Verzeichnung 38,5 lfd. Meter. Die Aktenbestände konnten damals jedoch nur den Aktenplänen gemäß geordnet, bis auf wenige Aktentitel jedoch nicht verzeichnet werden.

Mit der Einrichtung des Stadtarchivs in einem eigenen Gebäude im Nellinger Klosterhof im Jahr 1991 konnte das Archivgut sachgerecht und benutzerfreundlich untergebracht werden. Seit 1992 ist die Stelle eines Stadtarchivars besetzt.

 

Der Aktenbestand Nellingen

Die Verzeichnungsarbeiten am Nellinger Aktenbestand fanden mit zahlreichen Unterbrechnungen in den Jahren 1995 bis 2000 durch Stadtarchivar Jochen Bender statt.

Ältestes Schriftstück ist eine Vermögensaufstellung zur Festlegung des Militärbeitrags des Schusters Hans Michel Hartmann aus dem Jahre 1764. Aus dem 18. und 19. Jh. sind jedoch nur vereinzelte Schriftstücke erhalten. Umfangreicher wird die Überlieferung erst in den 1930er Jahren. Bei vielen Akten beginnt die Laufzeit jedoch nach 1945.

Der Umfang des Aktenbestandes belief sich vor der Verzeichnung auf ca. 32 lfd. Meter, nach der Verzeichnung auf ca. 29 lfd. Meter. Die Reduzierung des Umfanges ist in erster Linie durch eine effektivere Ausnutzung der Archivschachteln begründet. Ausgeschieden wurden Mehrfachüberlieferungen.

Das Archivgut wurde bei der Verzeichnung in säurefreie Umschläge gelegt und von Büroklammern befreit. Auf die Entfernung von Heftklammern wurde im Laufe der Verzeichnungsarbeiten verzichtet, da hier auch bei den ältesten Schriftstücken keinerlei Rostbefall zu erkennen war. Der Arbeitsaufwand konnte somit deutlich reduziert und Beschädigungen der zum Teil fragilen Papiere beim Entklammern vermieden werden.

Für die Ordnung der Faszikel ist in der Regel der Flattich-Aktenplan in der 5. Auflage von 1955 maßgebend. Die angegebene alte Registratursignatur (A. R.) kann sich - ohne dass dies vermerkt ist - je nach Laufzeit der Akte auch auf eine frühere Auflage des Flattich-Aktenplans beziehen. Es ist im Findbuch immer diejenige alte Registratursignatur angegeben, die auf der Akte angegeben war, auch wenn die Registratursignatur ersichtlich falsch vergeben wurde. Die Einordnung der Archivalien in die Systematik fand bei falsch vergebenen Registratursignaturen jedoch nach dem Aktentitel bzw. nach dem Akteninhalt statt.

Die Aktenregistratur Nellingen bestand vor der Verzeichnung aus drei Schichten, nämlich aus der Flattich-Registratur der 1. Auflage, der Flattich-Registratur der 2.-5. Auflage sowie der Boorberg-Registratur seit 1965. Hier fanden sich auch ältere Akten, die ursprünglich nach dem Flattich-Aktenplan signiert und später in den neuen Aktenplan übernommen worden waren.

Aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit wurde das nach dem Boorberg-Aktenplan abgelegte Schriftgut in das Ordnungsschema des Flattich-Aktenplanes integriert. Bei identischen Aktentiteln wurden die Akten vor und nach 1965 zu einem Faszikel zusammengefasst. Um den Entstehungszusammenhang zu dokumentieren, wurden immer sämtliche alte Registratursignaturen verzeichnet.

Maßgeblich für die Zuordnung ist die im Jahr 1965 von Werner Frank zusammengestellte Aktenplan-Gegenüberstellung des Boorberg-Verlags. Akten ohne Registratursignatur und Akten der Boorberg-Schicht, deren Titel im Flattich-Aktenplan noch nicht berücksichtigt waren, wurden nach thematischen Kriterien in die Systematik des alten Aktenplans eingeordnet.

Bei manchen Akten zeigte sich eine mangelhafte Handhabung der Registratursystematik durch die Gemeindeverwaltung. Als Beispiele seien genannt: Die Akten über ein Einwohner-Adressbuch lagen im Aktendeckel "Adressier-Einrichtung" der Poststelle. Schriftstücke über den Klärwärter fanden sich im Aktendeckel "Badepersonal". Ein Aufsatz von Bürgermeister Binder über die Bürgernähe der Gemeindeverwaltung lag bei "Steuer- und Finanzangelegenheiten: Allgemeines". Auch wurde oft nicht unterschieden zwischen Allgemeinem/ Grundsätzlichem und einzelnen Fällen eines Aktentitels, wie dies der Aktenplan vorsieht.

Bei der Verzeichnung wurde deshalb besonderer Wert auf die Intus-Vermerke "Enth[ält]:" und "Darin:" gelegt. Aufgrund der von Findbuch zu Findbuch unterschiedlichen Handhabung der Begrifflichkeiten sei deren Verwendung in diesem Findbuch kurz erläutert: Beide Vermerke bezeichnen stets einen Teilinhalt der Archivalie. Der Gesamtinhalt der Archivalie wird also auch bei der Verwendung von Intus-Vermerken in aller Regel vom Aktentitel selbst beschrieben. "Enth.:" verweist auf einen Teilinhalt, den man hinter dem Aktentitel vermuten könnte, jedoch einer besonderen Erwähnung wert ist. "Darin:" bezeichnet einen Teilinhalt, der nicht als üblicher Bestandteil der Archivalie anzusehen ist und ausgehend vom Aktentitel deshalb nicht aufzufinden wäre.

Insgesamt gesehen ergaben die Verzeichnungsarbeiten nur wenige "Entdeckungen". Dennoch konnten einige interessante Schriftstücke verzeichnet werden, die mittels des Aktenplans wohl kaum hätten zielgerichtet recherchiert werden können. Im Aktentitel "Wassernutzungsrechte" fand sich ein Band "Protocoll der Mühlevisitation 1846", der nun sachgerecht in den Bestand Nellingen Bände (NB) eingereiht wurde. Die Akte "Vorübergehende Gaststättenerlaubnis" offenbarte eine Satzung der Turn- und Spielplatzvereinigung aus dem Jahr 1913, die Statuten des Turnerbunds Nellingen aus dem Jahr 1906 sowie eine Grund- und Aufrissskizze von Liegenschaften des Turnerbundes an der Denkendorfer aus dem Jahr 1914. Im Aktendeckel "Wetterschäden, Hagelschlag" fanden sich Unterlagen über die Armenunterstützung in der Mitte des 19. Jh.

Das vorliegende Findbuch gibt nicht nur eine detaillierte Gesamtübersicht über den Bestand der Nellinger Akten, sondern ermöglicht den Benutzern auch eine zielgerichtete, zeitsparende und gleichzeitig umfassende Recherche.

Jochen Bender